Mein Tagesablauf bekommt immer mehr beruhigende Routine: Der Wecker klingelt um 5, der ganze Körper tut weh, und meine Beine sind übersät mit blauen Flecken, von denen ich nicht weiss, woher sie kommen  Der Tag beginnt mit der täglichen Asana-Klasse, danach Pranayama, dann Frühstück und eine kurze Pause, in der wir schlafen oder Pranayama wiederholen, dann die Anatomie Klasse, danach eine kurze Mittagspause, gefolgt von der Yoga-Therapie und Adjusment-Klasse, nach der wir um 18:00 meist völlig durchschwitzt und fertig nach Hause wanken.

Abends gehen wir oft bei Thrisha und ihrer Familie essen, und die Abende sind dann wieder mit Lesen, Lernen, oder Asanas üben gefüllt. Auch, wenn die Prüfungen erst in über zwei Wochen stattfinden, so bin ich mir jetzt schon über meine Schwächen bewusst und versuche diese früh genug zu bearbeiten.

Inzwischen habe ich aber immer öfter die Zeit und den Kopf, die Unterschiede in Indien zu meinem deutschen Leben zu erkennen und, viel Wichtiger: zu benennen.

Streunende Tiere

Hunde und Kühe soweit das Auge reicht, gibt es in Indien überall. Vor Allem die streunenden Kühe prägen das Strassenbild wie nichts anderes hier. Manche Kühe haben eine Leine um den Hals, was bedeutet, dass sie einen Besitzer haben, der sie am Morgen raus gelassen hat. Die Kühe streunen umher, essen was sie finden können (Kokosnüsse, Blumen, Essensreste gibt es imMüll genug, manchmal auch Gras in Vorgärten oder Parks) und laufen Abends wieder zu ihrem Besitzer heim. Manche Kühe sind auch Besitzer-Los. Die laufen dann umher und legen sich hin, wo es ihnen gerade passt. Sollte das mitten auf der Strasse sein, so fahren die Autos und Motorroller einfach um sie herum. Kühe werden nicht gestört, seltenst verjagt, oft gefüttert und nur manchmal angefasst (hab ich einmal versucht, das Tierchen hat sich zu mir umgedreht und ist auf mich zu gelaufen. Ein ganz schön unangenehmes Gefühl, wenn so ein riesiger, starker Fleischklops auf einen zuläuft…  es wird einem sehr schnell klar, wer im Falle eines Zusammenstosses gewinnt. Ich jedenfalls mache inzwischen um jede Kuh einen grossen Bogen).

Hunde liegen ebenfalls überall herum., werden nicht verjagt und oft gefüttert. Ich persönlich habe zum Glück noch nie erlebt, das jemand einen Hund angefahren hat, aber ich weiss, dass es das oft gibt und viele Hunde auch in einem schlechten gesundheitlichen Zustand sind.

Ansonsten gibt es hier Eichhörnchen, Ratten (angeblich massig!!!), Kakerlaken (gerne morgens um 4 in meinem Schrank ..igitt!!!), seltenst Katzen, riesige Frösche (die am liebsten lauthals anfangen zu quaken, wenn ich schlafen möchte), Vögel (sehr sehr sehr laute Vögel, deren Berufung es zu sein scheint, morgens ab ca 4 Uhr die Menschen zu quälen).

Verkehr

Nicht so schlimm, wie in Bangalore, aber immer noch der Horror für mich. Ab ca. 6 Uhr früh gibt es keine Sekunde Ruhe mehr, es hupt ununterbrochen überall, Motorgeräusche sind alles übertönend und an Ruhe ist nicht zu denken.

Strassen zu überqueren ist möglich, aber nicht ungefährlich. Für Fussgänger wird warnend gehupt, aber nicht gebremst. Die Devise ist „irgendwie einfach durch“, und die Verkehrsregeln können einem noch nichtmal die Inder selbst erklären. Wer fährt, schafft es schon irgendwie. Rote Ampeln werden gern ignoriert, und wenn zu viele an der roten Ampel mal tatsächlich stehen und die Strasse „blockieren“, kann man ja auch noch auf die Gehwege ausweichen oder rechts oder links an den wartenden Autos vorbei fahren. Wozu warten?

Verkehrspolizisten regeln die Ampelschaltung von Hand, schreien ab und an mal etwas, aber sie können im Grunde nicht wirklich viel ausrichten. Seit der letzten Wahl werden verstärkt Kontrollen durchgeführt, was das Tragen von Motorradhelmen angeht. Angeblich zumindest 😉

Es kommt auch ab und zu vor, dass eine ganze Grossfamilie mit bis zu fünf Personen auf einem Mofa sitzt, oder eine (oder zwei, oder Drei) Ziegen auf dem Mofa transportiert werden, oder auch mal ein Sofa oder eine Tür in der Hand des hinten sitzenden Beifahrers mitgenommen wird. Kinder fahren manchmal stehend, mit dem Kopf auf dem Lenkrad schlafend, mit den Eltern mit (ja, alles schon genau so gesehen!). Auf jeden Fall ist ein Mofa hier DAS Mittel der Wahl für alle und alles 😉

Zu Zügen und Bussen kann ich nicht wirklich viel sagen, ich bin noch nie Zug oder Bus gefahren. Ich habe lediglich im Vorbei fahren welche gesehen, und zu mindest in Mysore scheinen beide Transportmittel sich reger Beliebtheit zu erfreuen und ungefährlich zu sein.

Kinder

Hach ja… meine heimliche Leidenschaft… Indische Kinder sind wirklich wunderschön:

Ihre grossen, schwarze Knopfaugen, die schönen schwarzen Haare und die dunkle Haut machen diese Wesen für mich zum absoluten Blickfang. Indische Kinder werden sehr oft um die Augen mit Kohle „geschminkt“ und bekommen schwarze Punkte auf die Wangen, dies soll vor den bösen Blicken von Fremden (wie mir also, die die süssen Kleinen anstarren) schützen. Schon Babies bekommen Armreifen und Fussglöckchen und sehen einfach nur zauberhaft aus. Mädchen werden auch an normalen Tagen in richtig glitzernde, bauschige, rüschenbesetzte, lange Prinzessinenkleider gesteckt, in denen sie hinreissend aussehen und ihren Müttern in den bunten Sarees in nichts nachstehen.

Sarees und Kleider

Meine zweite Leidenschaft. Ich liebe indische Kleider. Ob Sarees oder Salvar Kameez, ist dabei zweitrangig, beides ist wunderschön, feminin und bunt. Dieses Mal habe ich mir einige lange Kleider gegönnt, die ich auch in Deutschland tragen kann, was bei Sarees leider nicht der Fall ist. Und gerade an den wunderschönen Teilen kann ich mich wirklich zu Tode shoppen 🙂

Indische Frauen tragen auch an normalen Tagen goldene und glitzernde Sarees, je beladener und bunter und auffälliger, desto besser.

Die Besonderheit des Anlasses erkennt man nicht unbedingt am Muster oder am Glitzern des Sarees, sondern eher an der Qualität: Je wichtiger der Anlass, desto kostbarer und schwerer der Stoff und desto echter der Schmuck.

Sarees gibt es in jeder Preis Kategorie. Das günstigste Stück das ich je ergattert habe, kostete 2 Euro und war wuuuuunderschön.   

Frauen-Sachen

Wenn eine Frau ihre Tage hat, ist sie in Indien immer noch benachteiligt. Wie Mitschülerinnen mir erzählen, ist die notwendige Infrastruktur in den meisten Arbeitsstätten immer noch sehr schlecht, es gibt zB. keine Eimer für Binden. Auch dürfen und können  Frauen im Normalfall nicht offen darüber reden, wenn sie Ihre Tage haben. Sollte eine Frau sich nicht arbeitsfähig fühlen, so bleibt sie unbezahlt zu Hause und hat einen Verdienstausfall. Oft werden Frauen, die zu oft fehlen, auch entlassen.

Zu Hause, traditionell gesehen, darf die Frau während ihrer Tage die Küche nicht betreten, nicht kochen, keine religiösen Handlungen vornehmen (ja, habe ich tatsächlich so miterlebt hier, eine Mitschülerin hat mir das genau so erzählt, das wird immer noch so eingehalten) und natürlich keinen Tempel besuchen.

Für uns gilt es, an den Tagen unserer Menstruation bestimmte Yoga Praktiken zu meiden, bzw. gleich ganz Zuhause zu bleiben. Dies ist für mich befremdlich und ich frage ich, wieviel „Wissenschaft“ dahinter steckt und wieviel „Tradition“. Aber ich respektiere es, und informiere meinen Lehrer. Zufällig, oder vielleicht auch nicht, muss ich an diesem Tag alleine üben . Ich versuche, das nicht persönlich zu nehmen 😉 

Männer

This is a man´s man´s man’s world… Mir fällt inzwischen kaum noch auf, dass hier die meisten Verkäufer Männer sind, in den Cafés meist ausschliesslich Männer sitzen und auch in den Küchen und Restaurants Männer arbeiten. Frauen sind hier immer noch (auf der Strasse) in der Minderheit. Wenn ich alleine herumlaufe, werde ich neugierig beäugt, aber nie belästigt oder angefasst. Es kommt allerdings sehr häufig vor, dass ich nach meinem Herkunftsland gefragt werde und Man(n) so versucht, mit mir ins Gespräch zu kommen. Aber es ist nie eine Anmache oder Belästigung – eher die typisch indische Neugier, die ich dann auch gerne bediene, indem ich mich auf das Gespräch (soweit möglich) einlasse. 

Teil zwei folgt bald… ?