Wir leben in einer Zeit, in der „Angst“ ein immer grösseren Teil unserer Gesellschaft wird. Immer wieder begegnen mir Menschen (online wie offline), die verschiedenste Ängste haben, und auch mich beschleichen natürlich immer wieder Ängste verschiedener Art. Angst ist eine wunderbare Erfindung der Natur, aber oft blockieren uns Ängste, die in unserem Kopf real und riesig erscheinen, uns aber im Leben am Vorankommen hindern. Wenn wir uns quasi vor Angst selbst im Weg stehen, kann Yoga uns helfen, mit solchen Blockaden umzugehen.

 

Ich wende gern diese 7-Schritte gegen meine Angst an: 

 
 
1. Beobachte, was mit Deinem Körper passiert, wenn DU Angst bekommst. Wo spürst Du die Angst? Sitz sie Dir sprichwörtlich “im Nacken”? Oder “dreht sie Dir den Magen um”? Oder hast Du „Schiss“? Oder „verschlägt sie Dir die Sprache“? (Übrigens ist die deutsche Sprache eine so wahre Sprache, man muss ihr nur richtig zuhören) Es gibt viele Möglichkeiten, durch die sich Angst in Dir zeigen kann – lerne Sie kennen und wahrzunehmen. Bei mir zum Beispiel verspannt sich sofort mein Nacken, ich kann es förmlich spüren, wie sich jede Faser meines Nacken Muskels zu zieht.
 
 
2. Beobachte, in welchen Situationen Du Angst bekommst. Angst ist uns in der Evolution immer sehr nützlich gewesen, sie hat auf vergangenen Erlebnissen beruht und war und ist eine in die Zukunft gerichtete Emotion. Sie hat uns auf das Kämpfen oder auf das Fliehen vorbereitet, wenn wir Gefahr erwarteten. Heute sind oft beide Optionen nicht mehr Vorhanden, aber die Angst ist da. Bist Du eher perfektionistisch, und eine nicht perfekt erledigte Aufgabe und die näher rückende Deadline machen Dich ganz fertig? Oder hast Du Angst vor Spinnen, Mäusen, vor dem Fliegen, oder etwas anderes? Was immer es ist, nimm es wahr, und bewerte es nicht. Ich zum Beispiel habe unter Anderem Angst vor dem Fliegen. Ich bin unheimlich gern in fremden Ländern, aber das Fliegen behagt mir nicht. In ganz schlimmen Fällen kullern mir sogar Tränen beim Take-Off hinunter – und das nicht vor Vorfreude!
 
 

3. Mach Dir klar, warum Du Angst hast. Am Ende der Kette ist Angst in den Meisten Fällen die Ur-Angst nicht gemocht zu werden, oder die Ur-Angst vor dem Sterben. Ich habe beim ersten Mal einfach nicht gewusst, was da beim Fliegen auf mich zu kommt und habe mich vor jedem Geräusch gefürchtet. Irgendwann konnte ich es konkret formulieren: Ich mochte es nicht, dass ein unbekannter Pilot mein Leben in den Händen hat. Dann habe ich gemerkt, dass ich auch in anderen Situationen gern die „Zügel in der Hand halte“ und nur ungerne Kontrolle abgebe. Aber am Ende der Kette ist meine Ur-Angst zu sterben.

 
 
4. Wie kann Dir nun Yoga helfen? Wir üben in jeder Asana, Pranayama und Meditation-Session, dass wir bis zu einem gewissen Mass die Kontrolle über unseren Körper und unseren Geist haben. Und wir üben, im Hier und Jetzt zu sein und zu bleiben. Was nützt uns eine Angst um eine Situation, die in der Zukunft stattfinden könnte, wenn wir nicht wissen, ob sie stattfinden wird? In jeder Situation, in der Du Angst hast, geht es um eine zukünftige angenommene Situation. Mein Kopf sagt mir, das Flugzeug KÖNNTE abstürzen. Sie könnte, ja, aber wie hoch ist die Chance, dass das Flugzeug abstürzt? Mein Kopf sagt mir, die Menschen KÖNNTEN mit meiner Arbeit unzufrieden sein, aber ob sie es sind oder nicht, weiss ich heute noch nicht. Ich könnte morgen an einer Krankheit sterben, aber vermutlich werde ich aus diesem Leben sowieso nicht lebend raus kommen, wieso also nicht „Ganz entspannt im Hier und Jetzt“ sein?
 
 
5. Und weil all dies nicht immer so einfach ist, üben wir mit Asanas, Pranayamas und Meditation, im Hier und Jetzt zu bleiben, einen Schritt zurück zu gehen und unsere Gedanken nur zu beobachten. Versuche Dir klar zu machen, wovor Du in welcher Situation Angst hast, wenn Du ganz entspannt mal fünf Minuten für Dich hast.
 
Gehe diese vier Schritte durch, und am Ende schliesse die Augen und stell Dir vor, Du sitzt im Kino oder auf dem Sofa, und Deine Gedanken rund um die Angst sind der Film im TV oder auf der Leinwand: Du BIST nicht Deine Gefühle, Du HAST sie. Und Du kannst Ihnen ganz entspannt zuschauen und sie interessant finden.
Atme tief ein – halte die Luft an – atme tief aus – halte die Atmung luftleer an. Wiederhole diese Schritte einige Male und nimm wahr, wie Du mit jedem Atemzug ruhiger wirst.
 
  
6. Nach einigen Atemzügen stell Dir eine Situation in deinem Leben vor, in der Du besonders glücklich warst – im Yoga nennen wir das „das Gegenteil üben“ – Pratipaksha Bhavana. In meinem Fall denke ich an eine Situation, in der ich vollkommen Glücklich war und losgelassen habe. In der sich das „Los-Lassen“ so sehr gelohnt hat, dass, wenn ich daran denke, mein ganzer Körper sich mit Freude füllt, ich dies richtig spüren kann, bis ich vor lauter Freude unwillkürlich lächle und vor Energie und Freude in meiner Brust “platzen könnte“ (ich liebe die deutsche Sprache).
 
 
7. Und nun, mit einem etwas freierem Kopf, überlege, was Dir im aller schlimmsten Fall (also wenn Deine Angst eintrifft, ein Worst Case Szenario quasi) passieren kann. Meist erkennen wir mit klarem Kopf, dass das, wovor wir maximal Angst haben, vermutlich eher nicht eintreten wird. In meinem Fall: Ich bin im Jahr 2017 ganze 10 mal (überwiegend) Langstrecken geflogen, und keiner meiner Flugzeuge ist abgestürzt (toi toi toi). Ich gebe zu, es gab richtig richtig arge Turbulenzen, aber offensichtlich bin ich nicht abgestürzt. Meine Angst war also bisher (toi toi toi) unbegründet.
 
 
Ich weiss, das hört sich jetzt leichter an als es tatsächlich ist. Mit etwas Übung kannst Du aber auf diesem Weg die Blockaden, die durch Ängste entstehen, besser in den Griff bekommen.
Oft spüre ich meine Angst, lasse sie dann zu und beginne einen inneren Dialog. Ich spreche mit mir selbst, manchmal sage ich mir dann, dass es ok ist, jetzt so ein Drama zu machen, aber dass das auch zeitnah aufhören darf, weil ich ja weiss dass es völlig irrational ist. Ich gehe die sieben Schritte durch und versuche nach einer kurzen Zeit, meine Angst in den Griff zu bekommen. Das bedeutet nicht, dass man völlig angstfrei durch das Leben gehen muss – es gibt ohne Zweifel sehr gute Gründe, und manchmal sollte man Angst haben. Aber in Situationen, in denen die Angst mehr blockiert als sinnvoll ist, können Dir diese sieben Schritte zu einem klaren Kopf verhelfen.
 
 
 
Wie sind Deine Erfahrung mit der Angst?  Hast Du die 7 Schritte mal ausprobiert? Was hältst Du davon? Hinterlass mir einen Kommentar, ich freue mich auf Deine Meinung und Deine Erfahrungen!
(Disclaimer: Dieser Bericht ist KEIN Ersatz für den Besuch bei einem Arzt, und kein Ersatz für medizinische Hilfe. Sie reflektiert lediglich meine persönliche Erfahrung!)