Das Tempo der Ausbildung zieht an: Die Adjustment-Lektion am Abend verlängert sich um fast eine Stunde, und wir spüren den steigenden Druck. Vor Allem ich kämpfe immer noch mit den Sanskrit-Gebeten und singe quasi überall vor mich her, um die für mich unbekannten Silben auswendig zu lernen. Mir fallen immer noch etliche Unterschiede zwischen meinem indischen und deutschen Alltag auf:

Essen

Frühstück und Mittagessen bekomme ich, wie viele andere Inder auch, nach Hause geliefert. Es ist typisch südindisches Essen, das ich schon von meinen früheren Aufenthalten kenne, wie Dosa, Idli, Upma und Chapati. Zu 95% ist das Essen, übrigens auch das Frühstück, scharf. Wenn ich mich selbst um essen kümmern muss, gehe ich an eine der vielen Stände, die überall am Strassenrand stehen, und kaufe indisches Fast-Food, welches um einiges gesünder ist, als das Amerikanische. Indisches Essen beinhaltet viel Gemüse und gesunde Kohlenhydrate, leider (oder zum Glück) ist es meist frittiert.

Ja, wir essen mit den Händen. Ich auch. Wann immer es geht 🙂 . Als ich 2016 das erste mal mit der Hand gegessen habe, fand ich es seltsam und fühlte mich irgendwie, wie ein Kind, das im Sand matscht. Mittlerweile geniesse ich es, mit der Hand zu essen, und denke, dass es nichts sinnlicheres gibt, als mit der Hand ein Stück Essen (auch flüssiges Essen) in den Mund zu befördern (ausser Reis – das kann ich nicht mit der Hand essen). Mit der Hand esse ich langsamer, bewusster, es schmeckt irgendwie anders und die Verbindung zum Essen ist eine Andere. Ich habe es bereits ausprobiert und die gleichen Gerichte auch mal mit Löffel und Gabel gegessen, aber das Erlebnis ist eine ganz andere. Probier es doch auch mal aus!

Ernährung

Natürlich gibt es grosse Supermärkte, wie wir ihn kennen. Aber in den meisten Fällen wird hier bei „Tante Emma“ um die Ecke eingekauft. Dort bekommt man dann von allem ein wenig. Reis und Getreide werden offen in Kisten gelagert (was für mich sehr gewöhnungsbedürftig ist), abgewogen und verkauft. Schokolade (indische Schokolade ist übrigens nicht süss und schmeckt nicht im entferntesten so, wie wir es kennen), Kekse (in tausenden Sorten) Shampoo, Haut aufhellende Cremes, Nüsse und noch vieles mehr bekommt man auf Anfrage, und die Preisfindung ist nicht immer ganz klar, aber immer fair.

Milch gibt es nur bei Milch-Ständen, und Obst und Gemüse an den Ständen, die überall am Strassenrand stehen. Die meisten Einheimischen verstehen Englisch, nur die älteren Verkäufer sprechen ausschliesslich Kannada, und so kommt es auch manchmal vor, dass ich Früchte kaufe, bei denen ich mir nicht ganz sicher bin, was ich genau gekauft habe.

(Ich: „ist das eine Wassermelone?“

Er: guckt

Ich zeige auf die Frucht: „Wassermelone? Wassermelone?“

Er: nickt, ich sehe ihm an dass er keine Ahnung hat was ich gesagt habe, schnappt sich die Frucht, wiegt ab und zeigt mir 3 Finger, was soviel wie 30 Rupien heisst.

Ich zögere, weil ich mir nicht sicher bin ob ich nun Wassermelone oder etwas anderes gekauft habe, zahle und gehe. Zum Glück ist es tatsächlich eine kleine Wassermelone)

Mittlerweile gibt es überall Juice-Stände, an denen man frische Obstsäfte kaufen kann, wenn man sich traut.

Weit verbreitet sind auch Zuckerrohr-Saft-Stände (achtung – Kalorienbombe, da Zucker pur …hihi). Grosse Freude macht mir und meiner Mitbewohnerin das Zuckerrohr-Kauen. Wir kaufen statt dem Saft die Zuckerrohr-Stange, beissen kleine Stücke aus dem Stängel und kauen darauf herum, bis die Fasern nicht mehr süss sind und spucken diese dann aus…. ja, gewöhnungsbedürftig, aber so verdammt lecker!

Warmes (indisches) Essen gibt es bei kleinen Ständen am Strassenrand, wo man unter zweifelhaften hygienischen Umständen recht leckeres Essen bekommen kann (zum Glück ist hier fast alles gegrillt, gekocht, gebraten oder frittiert, so dass zumindest Bakterien vermutlich abgetötet sind. Abgase sind aber wohl dennoch genug im Essen). Man kann auch in kleine Restaurants gehen, die meisten entsprechen ungefähr dem Standard von Ganesha und Thrishas Restaurant (siehe Day 7), aber es gibt auch durchaus sauberere Orte.

Es gibt Restaurants mit westlichem Essen. Ich besuche mit meiner Mitbewohnerin ein italienisches Restaurant und bestelle Tomaten-Mozzarella Salat. Es hat, ausser den Tomaten, nichts mit Tomaten-Mozarella-Salat zu tun. Der Dressing ist süss und der Käse ganz ganz weit weg von Mozzarella… aber ich bin ja auch nicht in Indien, um italienisch zu essen 😉 nicht wahr?

Cafés zum Chillen gibt es massig, aber die sind zu 80% in Häusern, die nach Wohnhäusern aussehen, und so findet man sie eher zufällig, oder wenn Bekannte diese Orte direkt mit Adresse empfehlen. Ich bekomme einmal ein Café empfohlen, fahre zu der Adresse und suche etwa 10 Minuten nach dem Eingang, weil diese so versteckt ist, dass ich ihn nicht auf anhieb erkenne. Das Café ist aber gut gefüllt und so nehme ich an, dass alle einfach wissen, wo man hinein gehen muss. Wahre kleine Schätze verstecken sich so manchmal in ungeahnten Ecken.

die Strassen

Die Strassen hier sind übersät von Löchern, Kuhdung, Müll und allerlei anderem Undefinierbaren. Nur wenige Gehwege sind tatsächlich begehbar, die Meisten sind eher eine Gefahr für Leib und Leben, so dass die Menschen hier meistens die Strasse benutzen. Manchmal hängen Elektrokabel von oben runter, und wenn man nicht darauf achtet, stösst man sich schon mal daran. Die Strassen sind meist staubig, und gerade, wenn es regnet, kommt man kaum mit sauberen Schuhen oder Füssen zuhause an. (Ich muss aber gestehen, dass ich gerade dies hier sehr geniesse: Schmutzige, erdige Füsse erinnern mich an Kindheit. Es ist so leicht und unbeschwert, nicht darauf achten zu müssen, ob die Schuhe und Füsse sauber sind oder nicht, weil ja keiner es schafft, saubere Füsse zu haben. Auf der anderen Seite frage ich mich immer, wie die Inderinnen es mit den schönen Kleidern schaffen, nicht schmutzig zu werden. Immer hochheben ist umständlich… Ich werde nachfragen.) Die Autos fahren manchmal manchmal einfach  auf der verkehrten Strassenseite, weil die Löcher auf so tief sind, dass, würden sie drüber fahren, die Achsen und Reifen des Autos ganz sicher kaputt wären. Was natürlich alle Verkehrsteilnehmer dazu zwingt, sehr aufmerksam zu fahren.

Mein Bad

Ja, es gibt mittlerweile westliche Bäder in Indien, aber mein Apartment ist typisch indisch, das heißt, es steht ein grosser Eimer unter dem Wasserhahn, es gibt einen Heisswasser-Boiler, den ich anmachen muss, bevor ich duschen möchte, dann lasse ich Wasser in den Zuber und schütte es mit einem kleineren Becher über mich (siehe Bild). Nein, mein Bad ist nicht so schön und sauber, wie auf dem Bild (das Bild stammt aus einem Hotel)…und schon garnicht im deutschen Sinn – es ist eher schmuddelig und entspricht auf keinen Fall unseren Hygienestandards (deshalb habe ich davon auch kein Foto genommen). Aber ich habe mich daran irgendwie schon gewöhnt und störe mich nicht mehr gross daran, dass die Armaturen eher staubig-grau und der Boden kalkig-weiss ist.  

So sehr ich in Indien meine normale Dusche vermisse, so sehr vermisse ich in Deutschland die indische Dusche. Es ist einfach viel schöner irgendwie… keine Ahnung wie ich das beschreiben soll: Probiert es einfach mal aus! 

Meine Toilette ist zum Glück westlich, aber in sehr vielen öffentlichen Toiletten ist es immer noch nur ein Loch, über den man sich setzt. Ich habe tatsächlich ein Mal das Vergnügen, und kann mich damit nur äusserst schwer anfreunden. Dazu ist mir die Funktion des Wasserschlauchs nicht bei “allen Geschäften” klar (darf mir gern erklärt werden). 

Es ist aber sehr lustig, dass diese Angewohnheit in vielen Yoga Posen hilft: Dadurch, dass Inder ihr ganzes Leben lang Dinge in der Hocke verrichten (Toilette, Essen, Reden, Warten,…), sind ihre Knöchel, Knie und Hüften oft viel flexibler, als unsere (es sei denn, sie sind auch schon Büro-Hocker, wie wir “Westies”), und sie sitzen regungslos stundenlang in der Hocke mit dem ganzen Fuss auf dem Boden. Dieser Umstand ermöglicht es ihnen, im Gegensatz zu mir, viele Asanas mühelos einzunehmen.

DSGVO 😉 

Immer wieder begegne ich Situationen, in denen ich an die gute, deutsche DSGVO denken und grinsen muss. Nein, so etwas gibt es hier nicht mal ansatzweise. Um ehrlich zu sein, ich glaube, die Inder wissen nichtmal, was wir damit meinen. Hier verwendet jeder alle Bilder, ohne zu fragen, macht Bilder, ohne zu fragen, selbst beim Frauenarzt sitze ich bereits im Gespräch, während die Vor-Patientin sich noch neben mir anzieht (kein Scherz!! Genau so ist es passiert!!!) Anfänglich finde ich es noch komisch, aber ich muss zugeben, mich persönlich stört es nicht, ich finde es (noch) lustig. Ich muss nur leider wirklich aufpassen, diese lockere Handhabe in Deutschland wieder zu vergessen und die DSGVO ernst zu nehmen…   Ja, Indien ist einfach ein ganz besonderes Land. Ein Land, das einen ganz besonderen Platz in meinem Herzen hat, so seltsam das auch für manche klingen mag. Ich kann es kaum abwarten und plane schon meinen nächsten Aufenthalt, und dann zeige ich hoffentlich meiner deutschen Liebe meine indische Liebe (also meinem Freund mein Lieblingsland) 😉