Meine erste Reiseroute war, entgegen meinem eigentlichen Wunsch, eine sehr Touristische. Da ich absolut keine Ahnung von Indien hatte, und auch keine Zeit hatte, um eine Reise selbst zu planen, musste ich mich völlig auf die Empfehlung der Reiseveranstalter verlassen.

Was ich von vornherein ausschloss, waren ein Rattentempel, denn ich kann es mir einfach nicht vorstellen, Ratten über meine Füsse huschen zu lassen, und ein Elefantenritt, weil ich es nicht ertrug, dass Elefanten eventuell für mein Vergnügen schlecht behandelt wurden.

Auch meine Reiseroute enthielt einen Elefantenritt, den ich aber in Elefanten-Füttern umgewandelt habe. Ich kann mich noch sehr gut erinnern, dass mein Fahrer meine Argumente gegen den Elefantenritt nicht nachvollziehen konnte und mit mir vorsichtig zu diskutieren begann, aber ich war fest davon überzeugt, dass ich nicht auf dem Elefant reiten wollte.

Ansonsten enthielt meine Route die wichtigstenTempel und Paläste, sowie einen Markt in Delhi, indisch kochen in einer Familie und ein kleiner Stop im Sonnenuntergang in Pushkar. Die Reiseroute hörte sich für mich ganz ok an, ich hatte ja keine Ahnung, was mich erwartete. Ehrlich gesagt, ich wollte einfach nach Indien, ich wollte Indien spüren, erleben, riechen, schmecken und sehen. 

Und ich wurde nicht enttäuscht: Für mich waren diese zehn Tage einfach unglaublich bereichernd. Ich fühlte mich, als würde ich heim kommen. Ich bin mir ganz sicher, meine Begleitung hatte massgeblich dazu beigetragen, dass die Reise ein absoluter Highlight geworden ist. Er hat mich komplett in die indische Kultur eintauchen lassen, mich teilhaben lassen an der Gedanken- und Gefühlswelt der Inder, mich aber auch zum richtigen Zeitpunkt beschützt und von allzu gefährlichen Situationen ferngehalten. Er hat mich weit genug in den indischen Alltag hinein schnuppern lassen, ohne mich zu überfordern, und er hat mich sanft von Allem weg gehalten, wovon er dachte, dass ich es (noch) nicht ertragen würde. So kam es, dass ich neben den Tempeln und historischen Stätten auch die Menschen kennen lernen durfte, das heutige Indien, die gespaltene Einstellung der jungen Inder Beziehungen gegenüber, ihre Hoffnungen und Träume, aber auch die „hässliche“ Seite Indiens, den Armut und die Verzweiflung der Menschen.

Würde ich die Route heute genauso noch einmal bereisen? Ja… aber als allein stehende, europäische Frau würde ich definitiv auch heute nicht ganz allein durch Indien reisen, zumindest nicht beim ersten Mal. Obwohl ich niemals auch nur eine Sekunde ein negatives Erlebnis hatte, nie (hm…ok … ein mal) böse angegangen wurde, nie unsittlich angefasst wurde, würde ich keinem pauschal raten, es mir gleich zu tun. Die Route an sich war wundervoll: Die Paläste und Tempel luden zum Träumen ein, die Steine erzählten von unglaublichen, vergangenen Tagen. Die Autofahrt führte mich durch kleine Dörfer, kahle Felsenlandschaften, satt-grüne Wälder und sogar ein wenig Wüste habe ich von Weitem gesehen. Die Begegnungen mit den Menschen berührten mich mehr, als ich es mir vor Abflug vorstellen konnte, und bewegten mich auf eine Art, die ich bis heute nicht beschreiben kann.

Ich kann mich erinnern, dass ich nach meiner Rückkehr lange nichts von meiner Reise erzählen konnte. Es war, als hätte mein Gehirn für die Erlebnisse der kurzen zehn Tage keine Worte, und wenn es welche hatte, so wollte mein Mund diese nicht erzählen. Es war, als wollte ich diese unglaublich intensive Reise in mir einschliessen, als ob jedes Wort, dass ich darüber verlor, mir meine Reise wieder genommen hätte. So habe ich oft stumm meine Fotos gezeigt, und meist Unverständnis geerntet, wenn ich nicht enthusiastisch, aufgeregt, angeekelt oder wütend von meiner Reise erzählt habe. Sehr lange, über zwei Jahre lang, habe ich die Fotos meines schönsten Erlebnisses keinem gezeigt – diesen Part der Reise habe ich einfach unterschlagen. Aus Angst, dieses wundervolle, einmalige Erlebnis durch das Erzählen zu verlieren. Noch heute kann ich über manche Erlebnisse nicht reden, ohne zu Weinen, weil sie mich immer noch berühren, demütig und auch dankbar werden lassen.

Als ich wieder schweizer Boden betrat, war meine Krankheit nebensächlich. Obwohl es mich noch merklich beeinträchtigte und es mir nicht besser ging, als beim Abflug, habe ich mein Schicksal als nicht mehr so dramatisch empfunden. Egal, wie schnell oder langsam, oder überhaupt, ich genesen würde, ich wusste, mir würde es niemals so schlecht gehen, wie manchem Menschen, den ich dort gesehen und getroffen habe. Ich sprudelte über vor Dankbarkeit dafür, eine weisse europäische Frau zu sein, alle Möglichkeiten der Welt zu haben, körperlich gesund zu sein, ein (im Vergleich) sehr sicheres Leben führen zu dürfen. 

Wo ich was genau erlebte, wie meine erste Reise verlief, könnt ihr das nächste Mal lesen!

Liebe Grüsse, Eure Maria Maya